WLZ, 02.12.2021:
Motor des Naturschutzes im Edertal
Wolfgang Lübcke wird heute 80 und wirkt seit 70 Jahren für die Umwelt
Von Matthias Schuldt, Foto: Uli Klein
Edertal – Wolfgang Lübcke und der Naturschutz bilden eine Einheit in den Augen Gleichgesinnter in WaldeckFrankenberg – und nicht nur hier. Heute wird Wolfgang Lübcke 80 Jahre alt. Geboren wurde er am 2. Dezember 1941 im mecklenburgischen Parchim, wuchs in Anraff auf und lebt mit seiner Frau in Giflitz. Seit knapp sieben Jahrzehnten folgt Wolfgang Lübcke mit Leib und Seele seiner Leidenschaft für die Natur. Diese Liebe reifte, lange bevor der Schutzgedanke sich mit ihr verband.
Die Natur
„Wir wuchsen ja in und mit der Natur auf und waren viel mehr draußen als die meisten Kinder heute“, erzählt der Ornithologe aus Berufung. Als Anraffer Junge richtete er mit Freunden auf einem Stück Land Vogeltränken ein und pflanzte Hecken. „Ein Landwirt, der Vater eines Freundes, stellte uns die Fläche zur Verfügung“, erinnert sich Lübcke.
Der Lehrer, das Vorbild
Am Wildunger Gymnasium am Breiten Hagen vertiefte sein Biologie-Lehrer Eduard Schoof Lübckes Hang zur Natur, einen damit verknüpften, großen Wissensdurst und Forscherdrang. Schoof war Vogelwie Pflanzenkenner und gründete an der Schule eine klassenübergreifende Gruppe zum Thema.
„Wir arbeiteten uns durch dichte Hecken, um Netze für den Vogelfang aufzustellen“, erzählt Lübcke. Frühmorgens scheuchten die Jungs die Tiere auf, damit sie sich in den Maschen verfingen. „Vorsichtig lösten wir sie heraus und beringten sie“, berichtet der Edertaler. Die Exkursionen mit Schoof, an den eine nac ihm benannte Eiche an der Eder erinnert, prägten nicht allein Wolfgang Lübcke. Dem zwei Jahre älteren Arolser Ornithologen und Verhaltensforscher Hans-Heiner Bergmann erging es in der Jugend so und auch dem Tierfilmer Ernst Arendt, acht Jahre jünger als Lübcke..
Das Gründungsjahr
Wolfgang Lübcke widmete in seiner Jugend diesem praktischen Erleben der Biologie den Löwenanteil seiner Freizeit. „Auch wenn ich eine Zeit lang parallel Fußball gespielt habe in Anraff“, wie er mit Schmunzeln erzählt. 1956 gründete er mit seinen Freunden Karl Sperner und Werner Meier eine Ortsgruppe des Deutschen Bundes für Vogelschutz, Vorläuferorganisation des Naturschutzbundes (NABU).
„Wir hatten uns erst kurz dem Tierschutzverein angeschlossen, aber das war nich so unser Ding“, erinnert er sich. Die wilde Tierund Pflanzenwelt draußen vor der Haustür lockte.
Der Schutzgedanke
Dass diese Welt nicht nur fesselte, sondern mehr und mehr Hilfe und Schutz brauchte, wurde Wolfgang Lübcke nach einer SchlüsselLektüre vollends bewusst. „Nachdem ich ‘Der stumme Frühling‘ von Rachel Carson gelesen hatte“, berichtet Lübcke. Die Biologin schilderte in dem Werk 1962 die Folgen der Anwendung des Insektizids DDT besonders für die Vogelwelt und legte die Saat für die weltweite Umweltbewegung.
Wolfgang Lübcke gehörte zu den vielen Engagierten, die die Zeichen der Zeit erkannten. Seinen Einsatz für die Natur brachte er – wie einst Eduard Schoof – als Lehrer für Germanistik und Biologie in die Arbeit am Wil dunger Gymnasium und später an der Gesamtschule Edertal ein. Dort begründete er das Freilandlabor. 30 Jahre lang leitete er die NABU-Gruppe Edertal, trieb und treibt ungezählte Biotopund andere Naturschutzprojekte im Landkreis voran. Nur zwei von vielen Aspekten seiner Naturschutzarbeit.
Der Ehrentag
Unter normalen Umständen hätte er seinen heutigen 80. Geburtstag mit der gesamten Familie, Freunden und Weggefährten gefeiert. Doch ausgerechnet die Natur in Gestalt eines Virus lässt das nicht zu. So begeht der Jubilar diesen besonderen Tag im engsten Kreis. Der Naturschutzbund auf Orts-, Kreisund Landesebene sowie der von ihm mitbegründete Arbeitskreis Waldeck-Frankenberg der HGON schließen sich mit der Heimatzeitung den Glückwünschen an.
Die Gabe, zu begeistern
Seit der Gründung 1975 ist Wolfgang Lübcke „Schriftleiter und Motor der jährlich erscheinenden Vogelkundlichen Hefte Edertal und der Schriftenreihe zum Naturschutz in Waldeck-Frankenberg“, betont Hartmut Mai. Der Geschäftsführer des Hessischen NABU hebt Lübckes besondere Fähigkeit hervor, „Menschen für den Einsatz im Naturschutz zu begeistern.“
Hunderte von Exkursionen habe Lübcke angeführt und besonders gerne in Kindern und Jugendlichen die Begeisterung für das Thema geweckt: „Zahlreiche Naturschützer erlernten von ihm das Handwerk.“
70 Jahre im Dienst des Naturschutzes – und an diesem Engagement ändert sich nichts, wobei Durchhaltewillen unverzichtbar ist. „Wer über 70 Jahre hinweg Naturschutz betreibt, muss große Frustrationstoleranz mitbringen“, gesteht Wolfgang Lübcke ein. Einer Mischung aus mehr oder weniger großen und kleinen Erfolge stehe die Erkenntnis gegenüber, dass der Mensch noch nicht genug gelernt habe: „Ich erinnere mich gut an die letzte Wanderfalkenbrut 1965 unterhalb der Sperrmauer. Früher beobachtete ich fast täglich Rebhühner, heute bekomme ich ein bis zwei Mal im Jahr welche zu Gesicht. Das ist schon traurig.“
Aber kein Grund aufzustecken. Naturschutz sei ja nicht nur eine Last, sondern ein Gemeinschaftswerk, das Freude bereite im gemeinsamen Handeln mit Gleichgesinnten. „Wenn ich mein Fernglas umhänge und hinaus gehe, um Vögel zu beobachten, schöpfe ich neue Kraft“, sagt Wolfgang Lübcke.
Vielfach geehrt für vielfältiges ehrenamtliches Engagement
Wolfgang Lübckes ehrenamtliches Engagement war immer mit Naturschutz verknüpft, reichte aber weit darüber hinaus. Für die FDP etwa wirkte er als Kreistagsabgeordneter von 1977 bis 1985. Als er 1988 zum Leitenden Regierungsschuldirektor beim RP Kassel berufen wurde, nahm er sich im politischen Engagement bewusst zurück. Nach Einführung des Kumulierens und Panaschierens und inzwischen im Ruhestand, wurde er 2001 für die FDP in die Edertaler Gemeindevertretung gewählt und saß in der folgenden Legislaturpriode der Fraktion auch vor. Mit Herzblut widmete sich Lübcke als Mitglied des Waldeckischen Geschichtsvereins auch der Heimatkunde. Ortssippenbuch und Dorfchronik in erster oder neuer Auflage für Anraff oder Giflitz zählen zu den Projekten, die er prägend mit umsetzte. Wolfgang Lübcke wurde vielfach geehrt für sein ehrenamtliches Engagement: mit dem Bundesverdienstkreuz, der Ehrenplakette des Landes Hessen in Gold oder der Lina-Hähnle-Medaille als höchster NABU-Auszeichnung. red