Landesgartenschau: NABU lud ein zur
Vogelstimmenwanderung mit Prof. Bergmann


 

Buchfink hat Faible für Fremdsprachen

WLZ, 14.06.2006

BAD WILDUNGEN (su). „Haben. Sie den kleinen Kikser am Schluss gehört? Das ist der Waldecker Nachschlag!" Professor Hans-Heiner Bergmann versteht den Buchfinken und nicht nur ihn. Kein Ruf, kein Lied, keine Arie entgeht seinem aufmerksamen Ohr, gleich, ob der Sänger Zilp-Zalp, Rotkehlchen oder Amsel heifit. Der Ornithologe nimmt eine Gruppe Spaziergänger an diesem schönen, frühen Sommermorgen mit in den Kurpark zum grollen Vogelkonzert.

Buchfink im Anflug, Kohlmeise mit skeptischem Blick: Singvögel wie diese zwei Arten
standen im Mittelpunkt der Vogelstimmenwanderung des Naturschutzbundes.
(Foto: Igor Monsieur Q)

 

"Hans-guck-in-die-Luft" ist für Prof. Hans-Heiner Bergmann (3. von links) kein Tadel,
sondern Beschreibung seiner Berufung, der er als Führer der Wanderung mit großem
Engagement nachging. (Foto: su)

Der Buchfink mit dem Waldecker Nachschlag liefert sofort am Startpunkt - der Sonnentreppe der Landesgartenschau - reichlich Gesprächsstoff. Diese auffällig gezeichneten Singvögel entwickeln vielfach Dialekte. „Allein in Osnabrück habe ich einmal sechs verschiedene Varianten gezählt", berichtet Bergmann. Die Grundmelodie ist stets die gleiche, sie hört sich an wie „Bin ich nicht ein schöner Bräutigam?" Danach, am Ende seines Gesangs, „ist der Buchfink offen für Neues", fährt der Professor fort.

Der gefiederte Künstler zeigt sich lernfähig und - entpuppt sich als Raubkopierer. Denn die Zusätze am Schluss der Arie kupiert er von anderen Arten ab. Bergmann nennt ein Beispiel: „Wo viele Buntspechte rufen, baut er deren Laute ein." Theoretisch sei der Buchfink so fremdsprachenbegabt, dass er komplett den Gesang eines Artfremden übernehmen könnte, wenn er den eigenen nicht zu hören bekommt. „Doch das wäre fatal, denn dann kriegt er kein Weibchen", erklärt Hans-Heiner Bergmann.

Von Minute zu Minute führt er seine Begleiter tiefer hinein in die fantastische Welt der Vögel und beschränkt sich nicht auf deren Stimmen. Überm Badehotel ziehen schwarze Artisten mit sichelförmigen Flügeln pfeilschnell ihre Bahnen: Mauersegler. Eigentlich Bewohner von Felsregionen, haben sie in den Häuserschluchten moderner Städte einen neuen Lebensraum gefunden.

„Wenn Sie nicht aufpassen, haben die Segler Ihnen den Sommer im Nu entrungen", warnt der Professor sein Publikum mit einem Augenzwinkern. Mauersegler - die nicht zu den Schwalben gehören, sondern zu den Ziegenmelkern - treffen Ende Mai/Anfang Juni bei uns ein, um hier ihre Jungen aufzuziehen. Bereits im August machen sie sich wieder auf den Rückweg in den Süden. Die Luft ist ihr ureigenes Element, das sie nur verlassen, wenn sie an ihrem Nest landen. Dieses bauen sie, wie Mehlschwalben, an Mauerwänden. „Sie trinken im Flug aus Bächen, sie halten Halbschlaf im Flug und sie paaren sich sogar im Fliegen", erzählt der Vogelkundler. Es sei unglaublich, was sich in den vergangenen 150 Millionen Jahren aus dem Archaeopteryx entwickelt habe, dem kleinen Dinosaurier und Vorfahren der Vögel, der erste Federn als Wärmeschutz trug und vielleicht im Gleitflug von Baum zu Baum gelangte.

Die Gruppe um Hans-Heiner Bergmann begegnet an diesem Morgen noch vielen gefiederten Sängern im Wildunger Kurpark. Manchen entdecken sie durchs Fernglas. Die Spaziergänger haben demnächst sicher das eine oder andere Bild mehr vor Augen, wenn sie im Wald ein Lied hören, ohne dass sie den Interpreten sehen können.

Der Naturschutzbund hatte im Rahmen der Landesgartenschau zu der Vogelstimmenwanderung eingeladen. Die nächste Aktion trägt den Titel „Leben am Bach" und läuft am kommenden Samstag, 14 bis 16 Uhr, am Info-Stand Wald und Natur der Gartenschau. Kinder sammeln mit Keschern Kleintiere aus der Wilde und bestimmen sie mit Hilfe von Lupen.

 

Bericht: su, WLZ