Konsenspapier

 

zum Rotwild im Landkreis Waldeck-Frankenberg

 

Das vorliegende Konsenspapier ist als Handlungsgrundlage für den Umgang mit den heimischen Rotwildpopulationen in ihren Lebensräumen des Landkreises Waldeck-Frankenberg zu verstehen. Es dient gleichzeitig als Fachbeitrag für das Leitbild des Naturparks Kellerwald-Edersee.

 

Es wird getragen von den aufgeführten Institutionen, die dieses Papier unterzeichnet haben. Der Beitrag entstammt einem interdisziplinären Diskussionsprozeß zwischen verschiedenen Institutionen und Einzelpersonen auf der Grundlage der Vorbereitung, Durchführung und Nachbesprechung der regionalen Tagung zum „Rotwild im Kreis Waldeck-Frankenberg – Situation und Perspektiven“ vom 08. Juni 2001 in der Ederberglandhalle.

 

  1. Die Erhaltung des Rotwildes als Natur- und Kulturgut in angemessener Zahl und mit ausgewogenen Sozialstrukturen in geeigneten Lebensräumen des Landkreises Waldeck-Frankenberg ist das Ziel und gemeinschaftliches Anliegen der Unterzeichner.
  2. Im Rahmen der gegebenen jagdrechtlichen Vorschriften, insbesondere den gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen des Bundes-Jagdgesetzes, werden als beurteilungsrelevant für das Vorkommen von Rotwild im Landkreis angesehen:

-         die Zugehörigkeit des Landkreises zum natürlichen Verbreitungsgebiet der Art,

-         die Ansprüche des Rotwildes an seinen Lebensraum,

-         die natürlichen Verhaltensweisen des Rotwildes als einer hochsozialisierten Art, die in geschlechtsspezifischen und altersstrukturierten Rudelverbänden vorkommt, ein sehr komplexes und störungsempfindliches Raum-Zeit-Verhalten aufweist und zudem sehr lernfähig ist,

-         die herrschenden menschlichen Nutzungen vielfacher Art, die direkt oder indirekt die Rotwildpopulationen beeinflussen.

  1. Die bestehenden Rotwild-Gebietsabgrenzungen sind– entsprechend den untergesetzlichen Regelungen des Hessischen Jagdgesetzes – unter Berücksichtigung der Beurteilungskriterien unter Punkt 2 regelmäßig zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern. In Frage kommen neben Flächenreduktionen auch Flächenerweiterungen sowie Veränderungen des Zuschnitts.
  2. Dem Bedürfnis vieler einheimischer Bewohner und zureisender Gäste nach Beobachtungsmöglichkeiten des einheimischen, freilebenden Rotwildes - insbesondere zur Brunftzeit - sollte entgegengekommen werden. Die Einrichtung von Besucherkanzeln an geeigneten, jagdberuhigten Stellen oder das Anbieten von Brunftführungen, insbesondere im Staatsforst, können geeignete Mittel sein. Der vielfach beklagten „Naturferne“ vieler Menschen kann durch dieses umweltbildnerische Naturerleben auf relativ einfache, aber eindrückliche Weise entgegengewirkt werden. Positive Beispiele wurden und werden im Waldschutzgebiet Edersee umgesetzt.
  3. Im Rahmen eines umweltschonenden Tourismus kann das Rotwild innerhalb des Naturparks Kellerwald-Edersee als Zielart des Naturschutzes eingesetzt werden. Als heimischer Bestandteil der für weite Teile des Naturpark-Gebietes charakteristischen potentiellen natürlichen Buchenwälder und als größte vorkommende Tierart mit auffälligem Brunft- und Rudelverhalten innerhalb großer, zusammenhängender Lebensräume kann es als öffentlichkeitswirksamer Repräsentant der naturnahen Ökosysteme des Naturparks dienen.
  4. Rotwild kann auf Offenlandbereichen wie Mager- und Trockenrasen sowie Heiden einen Beitrag zur Erhaltung dieser Biotope durch den Äsungsdruck leisten. Gleiches gilt für alte Hutewälder, die in einer Vielzahl verstreut über den Landkreis Waldeck-Frankenberg vorkommen. Die auf menschliche Nutzungen angewiesenen Biotoptypen mit ihren charakteristischen Lebensgemeinschaften können insbesondere vom Beweidungseffekt des Rotwildes profitieren. Beim Rotwildmanagement kann auf solche Belange Rücksicht genommen werden; Rotwildkonzentrationen sind hier – im Gegensatz zu vielen anderen, forstwirtschaftlich genutzten Waldbeständen – sogar wünschenswert!
  5. Der neu gegründeten Rotwild-Hegegemeinschaft Rothaargebirge als Zusammenschluß der Jagdausübungsberechtigten kommt die außerordentlich bedeutsame Aufgabe der großräumigen, einheitlichen Bewirtschaftung der Rotwildpopulation zu: Ihre Aufgabe sollte die Erstellung von Lebensraum-, Beruhigungs- und Fütterungskonzepten auf möglichst großer Fläche sein. Hegegemeinschaften bieten innerhalb des bundesdeutschen Reviersystems eine praktisch umsetzbare Möglichkeit, den Trend zur Zersplitterung zusammenhängender Lebensräume in kleine Reviere mit unterschiedlichen Bewirtschaftungsformen zu kompensieren.
  6. Durch die Integration der Flächeneigentümer als Eigenjagdbesitzer und Jagdgenossenschaften in die Arbeit der Hegegemeinschaft sowie die Einbeziehung externer Fachleute auch außerhalb der Jagd können Kompetenzen für die Erstellung und Umsetzung der Konzepte gesammelt werden. Die Pachtverträge sollten verstärkt im Sinne einer einheitlichen, wildbiologisch sinnvollen Rotwildbewirtschaftung ausgestaltet und genutzt werden. Die Rotwild AG Deutschland steht als Kooperationspartner mit fachlichen Hilfestellungen der/den Hegegemeinschaft(en) zur Verfügung.
  7. Die Arbeit der Hegegemeinschaft sollte mit den Reviernachbarn und Hegegemeinschaften im angrenzenden Nordrhein-Westfalen abgestimmt werden, da es sich um eine Rotwildpopulation in einem Naturraum handelt. Auch die Kooperation mit angrenzenden Revierinhabern sogenannter „rotwildfreier“ Gebiete erscheint sinnvoll.

 

Unterzeichner:              Landrat des Landkreises Waldeck-Frankenberg

                                   Hegegemeinschaft Rotwildgebiet Rothaargebirge

                                   Untere Jagdbehörde des Landkreises Waldeck-Frankenberg

                                   Untere Naturschutzbehörde

Kreisjagdberater des Landkreises Waldeck-Frankenberg

                                   Kreisjagdbeirat des Landkreises Waldeck-Frankenberg

BUND, Kreisverband Waldeck-Frankenberg

                                   NABU, Kreisverband Waldeck-Frankenberg

                                   HGON, Kreisverband Waldeck-Frankenberg

                                   Jägervereinigung Frankenberg

Kreisfischereiverband

AG Rotwild Deutschland

Februar 2002                                                    Verfasser: A. Heck (AG Rotw. Dtl.)