"30 Jahre NSG Vorstau Twistetalsperre
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Exkursion und Vorträge in Wetterburg


Seit 30 Jahren ein Paradies für Wasservögel, Amphibien und Insekten

Elmar Schulten, WLZ, 04.09.2006

BAD AROLSEN. Mit einer Wanderung rund um das Naturschutzgebiet am Twisteseevorstau und einer Vortragsveranstaltung in Wetterburg haben die Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) und die Naturschutzgruppe Waldeck-Frankenberg (gemeint ist der NABU Waldeck-Frankenberg) an das 30-jährige Bestehen des Naturschutzgebietes erinnert. Gemeinsam wurde eine Bilanz des bisher Erreichten gezogen und ein Ausblick auf die kommenden Jahre versucht.

Bei der Führung durch das Naturschutzgebiet am Twistevorstau erwies sich
Karl Staiber einmal mehr als intimer Kenner des Sees und seiner Tierwelt.
(Foto: -es-)

Das Naturschutzgebiet am Twistevorstau ist in manchen Bereichen fast schon
urwaldähnlich zusammengewachsen. Soll der Mensch regelnd eingreifen?
(Foto: -es-)

Naturschutz ist eine Aufgabe für Generationen. Deshalb ist der Nachwuchs so wichtig:
Die Naturschutzjugend auf Entdeckungstour am Twistevorstau.
(Foto: -es-)

An die 50 engagierten Naturschützer waren gekommen, um aus erster Hand von Karl Staiber zu erfahren, wie sich das Naturschutzgebiet in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat.

Karl Staiber und "sein" Naturschutzgebiet

Staiber hatte sich zusammen mit dem 1990 verstorbenen Arolser Arzt Dr. Gerhard Pfeiffer von Anfang an für das Projekt eingesetzt. Fast jeden Tag ist Staiber am Twistesee unterwegs, um Flora und Fauna zu beobachten und einzugreifen, wenn sich schädliche Einflüsse von Menschenhand abzeichnen.

Neuntöter mehrfach bestätigt

Staibers Beobachtungen fließen regelmäßig in wissenschaftliche Untersuchungen ein. Der von ihm vor Jahren entdeckte „Neuntöter“, ein Vogel, der auf der roten Liste der bedrohten Arten steht, hatte vor Jahren Änderungen der Golfplatzpläne zur Folge. Dann war es still geworden um den Neuntöter, so mancher Kommunalpolitiker unkte schon, die Sichtung des Tieres sei eine Finte der Naturschützer gewesen. So fügte es sich am Sonnabend sehr gut, dass bei der Wanderung rund um den Twistevorstau gleich mehrere Vogelkenner unabhängig voneinander den Neuntöter unterhalb von der Erddeponie Varlemann genau dort entdeckten, wo sich einmal die Golfplatzpläne hin erstreckten.

Veränderungen der Tier- und Pflanzenwelt

Wolfgang Lübcke vom NABU (Naturschutzbund) Waldeck-Frankenberg berichtete, dass inzwischen 153 unterschiedliche Vogelarten rund um den Twistesee gesichtet wurden, davon viele gefährdete Arten. Seit dem Beginn der Untersuchungen Mitte der 70er Jahre sei aber auch ein großer Wandel in der Tier- und Pflanzenwelt zu beobachten. Manche Arten seien schwächer vertreten, andere seien neu hinzugekommen.

Die Veränderungen seien teilweise auf natürliche Entwicklungen, teilweise aber auch auf menschliche Eingriffe zurückzuführen. So habe sich zum Beispiel durch den Umbruch von Wiesen in Ackerland am Oberlauf der Twiste der Nährstoffeintrag stark verändert. Dadurch bedingt fänden manche Tier- und Pflanzenarten nun bessere Lebensbedingungen am Vorstau vor und könnten andere Arten dominieren. Ganz aktuell seien zum Beispiel eingewanderte Nilgänse dabei, die angestammten Graugänse zu verdrängen.


Eingriff notwendig?

Andererseits sei es auch natürlich, dass die Büsche von einst nun zu Bäumen herangewachsen seien. Die so entstehenden urwaldähnlichen Zustände seien nicht mehr ideal für Wasservögel. Für den Naturschutz stelle sich daher die Frage, ob und wie reagiert und regelnd eingegriffen werden müsse.

Fotos der Veranstaltung von Bastian Meise:

- Portrait von Karl Staiber
- Karl Staiber während der Exkursion
- Ansicht des NSG Vorstau Twistetalsperre

 

 

Scans der HNA-Presseberichte zur gleichen Veranstaltung (klicken Sie auf die Miniaturen):

     

 

Naturschutz, Wasserwirtschaft und Tourismus müssten das gleiche Ziel verfolgen
Auenschutzprogramm für Twistesee gefordert


BAD AROLSEN (-es-). Als Sedimentationsbecken für den Twistesee ist der Vorstau bei den ursprünglichen Planungen vor über 30 Jahren vorgesehen gewesen. Diese Funktion hat er in den vergangenen drei Jahrzehnten so gut erfüllt, dass sich das Wasservolumen des Vorstaus bis 1998 um 40 Prozent verringert hat.

„Rechnet man den Sedimenteintrag linear hoch, so ist davon auszugehen, dass etwa im Jahr 2030/2035 die Wasserfläche der Vorsperre bis auf kleine Reste verschwunden wäre." - Mit solchen Zahlen und dieser klaren Prognose hat Dr. Eckhard Jedicke (siehe Foto), der das Naturschutzgebiet am Twistesee schon seit dessen offizieller Ausweisung wissenschaftlich begleitet, am Sonnabend bei der Jahrestagung der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) in Wetterburg überrascht. Jedicke, der zurzeit an der Uni Frankfurt lehrt, machte deutlich, dass die fortschreitende Verschlammung des Twistesees die Folge von Ackernutzung in den Auen der Twiste und ihrer Nebengewässer ist. Bei jedem größeren Niederschlagsereignis würden in starkem Maße Ackerboden (mit Düngemitteln und ggf. Pestizidresten) in den Bach geschwemmt. In der Vorsperre setze sich der Schlamm ab, da dort die Fließgeschwindigkeit des Wassers reduziert ist. Dieses entspreche der Funktion, die der Vorsperre als Sedimentfang zugedacht sei.

Bereits seit Jahren funktioniere die Vorsperre nicht mehr in dem notwendigen Maße als Sedimentfang. Das sei vor allem an der braunen Schlammfahne sichtbar, die sich nach starken Niederschlägen auch in den Twistesee selbst hineinziehe. Die Folge sei ein starkes Algenwachstum, das die Erholungsfunktion des Twistesees einschränke und die Badefreunde betrübe.

Naturschutz, Wasserwirtschaft und Tourismus sollten deshalb an einem Strang ziehen und sowohl die Entschlammung der Vorsperre als auch zur langfristigen Problemlösung unverzichtbar - ein Auenschutzprojekt für die gesamte Twisteaue einschließlich ihrer Nebengewässer in Gang bringen.

Ziel des Auenschutzprojektes müsse eine Revitalisierung der Fließgewässer sowie eine umweltgerechte Auennutzung mit 10 bis 15 Meter breiten Uferrandstreifen sein.

Unabhängig davon sei eine schrittweise Entschlammung der Vorsperre dringend erforderlich; diese müsse aus Mitteln der Wasserwirtschaft finanziert werden, da es um die Funktionsfähigkeit der Versperre als Sedimentfang gehe.

Bericht und Fotos: Elmar Schulten, WLZ