Schottische Hochlandrinder weiden bei Schloss Reckenberg
Orketal wird lebendig - Landwirtschaft und Natur als Einheit


Schottische Hochlandrinder weiden im einsamen Orketal

WLZ (Frank Seumer), 24.11.2007

LICHTENFELS - DALWIGKSTHAL (sr). Neues Leben im Orketal: Schottische Hochlandrinder (Foto), Walliser Schwarzhalsziegen und Heidschnucken weiden rund um Schloss Reckenberg. Das rund 700 Jahre alte Gemäuer mit einem prächtigen Herrenhaus, Türmen und Wirtschaftsgebäuden diente jahrelang nur als Feriendomizil. Seit 2005 leben die neuen Eigentümer Christian und Ingrid Heesen im Orketal. Am Donnerstag stellte der NABU ein großflächiges Beweidungskonzept vor, gefördert von der Stiftung Hessischer Naturschutz.

 

Ungewohnter Anblick im Orketal bei Schloss Reckenberg (Foto: sr)

 

Ein Leckerbissen von Minister Wilhelm Dietzel für den Herdenbullen Mac Talisker auf Schloss
Reckenberg: NABU-Landesgeschäftsführer Hartmut Mai, NABU-Ortsgruppenvorsitzender
Wilhelm Bressler und Christian Heesen (v. links) stellten das Beweidungsprojekt fürs
Orketal vor. (Foto: sr)

 

Graue Gehörnte Heidschnucken weiden zeitweise gemeinsam mit den Rindern auf den Wiesen
im Orketal. Auch auf den Streuobstwiesen im Schlosspark fühlen sich die Tiere wohl. (Foto: sr)

 

Ingrid Heesen betreut die
Walliser Schwarzhalsziegen,
eine vom Aussterben bedrohte
Haustierrasse, auf Schloss
Reckenberg. (Foto: sr)

 

Von Frank Seumer

LICHTENFELS - DALWIGKSTHAL. Sie heißen Mac Talisker oder Bonni Bee – seit einem Jahr weiden schottische Hochlandrinder im malerischen Orketal. Der Besitzer von Schloss Reckenberg, Christian Heesen, startet mit Unterstützung von NABU und der Stiftung Hessischer Naturschutz ein großflächiges Beweidungsprojekt.

Umweltminister Wilhelm Dietzel, Vorsitzender der Stiftung Hessischer Naturschutz, überreichte am Donnerstag einen Förderbescheid über 10000 Euro an den Vorsitzenden der NABU-Gruppe Vöhl, Wilhelm Bressler. Damit soll der Bau eines Weidezauns aus Glattdraht finanziert werden. Er garantiert eine Durchgängigkeit für Wildtiere und birgt eine geringe Verletzungsgefahr. Dietzel überzeugte sich von dem Weidezaunsystem und reichte dem Herdenbullen Mac Talisker von Fürstenberg einen Leckerbissen.

Idyllisches Waldwiesental

Der neue Eigentümer von Schloss Reckenberg, Christian Heesen, der seit Frühjahr 2005 im historischen Herrenhaus des Hofgutes weitab von Straßen wohnt, will mit dem Beweidungsprojekt wieder Leben ins Orketal bringen. Seine Vision: „Landwirtschaft und Natur als Einheit“. Fast alle Flächen liegen im Flora-Fauna-Habitat-Schutzgebiet der EU. „Wir wollen mit der Beweidung den guten Zustand der Wiesen durch die Nutzung erhalten, die die Schutzwürdigkeit begründet hat“, betont Heesen. Die Orke fließt vom Menschen nahezu unbeeinflusst durch das idyllische Waldwiesental.

Neben neun schottischen Hochlandrindern weiden auf den Wiesen rund um das historische Schloss 20 Heidschnucken und drei Walliser Schwarzhalsziegen. Sie sorgen für eine nachhaltige Landschaftspflege und hochwertiges Fleisch. Der erste Rindernachwuchs wird im Frühjahr 2008 erwartet. Erste Schlachttiere stehen 2010 zur Verfügung. Seit 2006 ist der zertifizierte Öko-Betrieb Mitglied im Verein Biokreis.

Mischbeweidung

Bisher fressen die Rinder, Schafe und Ziegen auf rund zehn Hektar. Jetzt sollen weitere neun Hektar eingezäunt werden. Der NABU Vöhl und Christian Heesen legen Wert auf eine großflächige ganzjährige Beweidung, in die auch Böschungen, Hecken und das Bachufer mit einbezogen werden. Die Beweidung der Wiesen erfolgt bewusst als Mischbeweidung von Rindern mit Schafen und Ziegen, da die Art der einzelnen Rassen, eine Wiese abzufressen, sehr unterschiedlich ist und so eine bessere Ausnutzung des Bewuchses erfolgen kann. Während im Sommer das „Gute rausgefressen wird“, verschmähen die Tiere im Winter auch trockenes Gras nicht. In Notzeiten mit geschlossener Schneedecke will Heesen das auf den eigenen Wiesen im Heimbachtal gewonnene Heu zufüttern. Am Schlosspark steht den Tieren eine Weidehütte als Unterstand zur Verfügung.

Umweltminister Dietzel lobte die Idee und fragte nach der Rasseauswahl. „Das Rote Höhenvieh haben wir nicht aus den Augen verloren“, betonte Bressler und verwies auf das historische Dreinutzungsrind der Mittelgebirgsregion. Wissenschaftlich begleitet wird das Beweidungsprojekt von dem Korbacher Biologen Wolfgang Lehmann, der bisher über 150 Pflanzenarten auf den Orkewiesen festgestellt hat und die Veränderung der Pflanzengesellschaften untersuchen wird.

NABU-Landesgeschäftsführer Hartmut Mai hob auch den Wert einer lebendigen Landschaft für Wanderer und Radfahrer sowie den sanften Tourismus hervor. Heesen plant langfristig die Einrichtung von zwei oder drei Ferienwohnungen im Herrenhaus für natur-interessierte Urlauber.



HINTERGRUND: Hochlandrind

(sr). Keine Auerochsen, kein Rotes Höhenvieh oder Kellerwaldrinder, sondern schottische Hochlandrinder weiden im idyllischen Orketal. Diese Rasse zeichne sich durch Robustheit, Langlebigkeit, Gutmütigkeit, aber auch Wehrhaftigkeit bei guten Mutterkuheigenschaften aus. Hohe Niederschläge und Stürme bei wenig ergiebigen Weiden im Sommer und sehr nasse und harte Winter ohne besondere Zufütterung und Stall waren die extremen Lebensbedingungen im schottischen Hochland, unter denen diese Tiere als Mehrnutzungsrinder seit über 200 Jahren in Reinzucht gezogen wurden.

Nach Deutschland erstmals 1978 zur landwirtschaftlichen Nutzung eingeführt, fanden die Highland-Cattle nicht nur wegen ihrer natürlichen Schönheit in den vergangenen Jahren schnell eine explosionsartige Verbreitung. Die Tiere sind sehr ruhig und zugänglich, so auch der Herdenbulle von Schloss Reckenberg, „Mac Talisker von Fürstenberg“ aus der Zucht von Oliver Hasecke. Die Tiere wachsen unter natürlichen Bedingungen ohne Kraftfutter sehr langsam und liefern ein feinfaseriges, mageres, leicht marmoriertes Fleisch von exzellenter Qualität. Das Fleisch enthält viel weniger Fett und Cholesterin als andere Fleisch-sorten und ist deshalb auch für die Diätküche geeignet.

Als Schafsrasse hat Christian Heesen die Graue Gehörnte Heidschnucke ausgewählt. Sie gehört zu den ältesten Schafsrassen Europas. Heidschnucken zeichnen sich durch besondere Robustheit und Anspruchslosigkeit aus. Beide Geschlechter tragen Hörner. Die Lämmer werden schwarz geboren und färben sich erst nach etwa zwei Jahren zu ihrem normalen Aussehen aus. Die Tiere leben ganzjährig im Freien. „Das Fleisch dieser langsam wachsenden Rasse ist eine Delikatesse“, betont Heesen.

 


 

Bericht: WLZ (Frank Seumer), 24.11.2007