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Presseberichte WLZ und HNA:
Podiumsdiskussion des NABU-Kreisverbandes
mit heimischen Landtagskandidaten

Im Ziel einig, bei Sachfragen kontroverse Auffassungen

Frank Seumer, WLZ, 11.01.2008

VÖHL - HERZHAUSEN (sr). Alle im Landtag vertretenen Parteien messen dem ehrenamtlichen Naturschutz eine hohe Bedeutung zu. Bei Sachfragen zu Mitwirkungsrechten der Beiräte, Schutz von Kleinbiotopen oder den Plänen für den Lückenschluss der Autobahn 4 gibt es jedoch deutliche Unterschiede. Am Mittwoch diskutierten Vertreter des NABU-Kreisverbandes im Gasthaus Kohlberg mit Umweltminister Wilhelm Dietzel (CDU) und den Landtagsabgeordneten Reinhard Kahl (SPD), Jürgen Frömmrich (Grüne) und Heinrich Heidel (FDP).

 Fragen rund um Natur und Umweltschutz diskutierten Jürgen Frömmrich, Wilhelm Dietzel,
Heinz-Günther Schneider, Reinhard Kahl und Heinrich Heidel (von links) bei der
Podiumsdiskussion des NABU-Kreisverbandes zur Landtagswahl. (Foto: sr)

Rund 70 Zuschauer verfolgten die fast dreistündige Podiumsdiskussion. Das Themenspektrum reichte von der Novellierung des Hessischen Naturschutzgesetzes bis zur Müllverbrennungsanlage in Korbach. „Natur- und Umweltschutz besitzt in Waldeck-Frankenberg einen hohen Stellenwert“, sagte NABU-Kreisvorsitzender Heinz-Günther Schneider, der die Diskussion moderierte.

Einleitende Statements der Kandidaten

In einem ersten Statement hoben alle Kandidaten die Leistungen des ehrenamtlichen Naturschutzes hervor und sagten ihre Unterstützung zu. Minister Wilhelm Dietzel bezeichnete die Ausweisung des Nationalparks Kellerwald-Edersee als seinen größten politischen Erfolg. Er verwies auch auf die Landesstiftung Hessischer Naturschutz, die jährlich 160000 Euro für ehrenamtliche Naturschutzprojekte zur Verfügung stelle. Eine zweite Stiftung fördert Naturschutzmaßnahmen im Wald. 20,9 Prozent der Landesfläche seien als Natura-2000-Gebiete ausgewiesen. Damit besitze der Naturschutz in Hessen einen hohen Standard.

Reinhard Kahl bezeichnete die Änderung des Naturschutzgesetzes als Rückschritt, da der Schutz für viele Biotope weggefallen sei. „Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Naturschutz“, forderte er.

Jürgen Frömmrich sieht die Landesregierung in Sachen Naturschutz auf dem falschen Weg und will „den Hebel umlegen“. Er bezeichnete Naturschutz nicht als Verhinderung, sondern als Wert an sich.

Heinrich Heidel will das Naturschutzbewusstsein stärker in den Köpfen der Menschen verankern und die Interessen mit Grundstückseigentümern und -nutzern verbinden. Er plädierte für eine bessere Vermarktung der „Schätze in der Region“ und die Weiterentwicklung erneuerbarer Energien.

Auswirkungen des neuen Naturschutzgesetzes

Diskussionsthema waren die Auswirkungen des neuen Naturschutzgesetzes. Wolfgang Lübcke vom NABU Edertal und Wolfgang Lehmann vom NABU Korbach plädierten für eine Wiedereinführung der Naturschutzbeiräte auf Bezirksebene. Während Dietzel den Beiräten auf Kreisebene eine größere Bedeutung beimisst, wollen Kahl und Frömmrich die Abschaffung rückgängig machen. Die von vielen Teilnehmern kritisierte Aufhebung von 16 Landschaftsschutzgebieten in Hessen begründete Dietzel mit den rund 300 Befreiungsanträgen jährlich, die viel Bürokratie erzeugten.

Wald

Kontroverse Diskussionen gab es auch zum Wald in Hessen. Der NABU sieht durch die geplante Herabsetzung des Umtriebsalters von Buchen die Nachhaltigkeit in Gefahr und kritisiert die vermehrte Anpflanzung von Douglasien. Minister Dietzel versicherte: „Der Wald wird nicht abgesägt. Die Nachhaltigkeit wird eingehalten, es werden nur 7,5 Festmeter pro Hektar entnommen, während 9 Festmeter nachwachsen.“ Reinhard Kahl befürchtet einen „maschinengerechten Wald“. Heinrich Heidel betonte dagegen, dass bei der Aufarbeitung des Sturmholzes nach „Kyrill“ der Maschineneinsatz viele schwere Unfälle verhindert habe.

Direktvermarktung

Weitere Themen waren die Direktvermarktung heimischer Produkte, die Weiterentwicklung des Nationalparks, das Landschaftspflegeprogramm und die Ausweisung von Schutzgebieten, insbesondere im Naturpark Diemelsee. Minister Dietzel sagte den Naturschützern in vielen Punkten Gesprächsbereitschaft zu.

Müllverbrennungsanlage

Zum Abschluss brachte Dr. Peter Koswig, Vorsitzender der NABU-Gruppe Korbach, die Müllverbrennungsanlage ins Gespräch. Er forderte eine Vorbelastungsuntersuchung, da bei Korbacher Kindern im landesweiten Vergleich bereits vor Inbetriebnahme der Anlage deutlich mehr Atemwegserkrankungen aufträten. Dietzel war über das Thema informiert und kündigte ein Gespräch zwischen Umwelt- und Sozialministerium an.

Bahnanbindung Nationalpark

Alle Kandidaten auf dem Podium plädierten für eine Anbindung des Nationalparks an die Bahnstrecke. Reinhard Kahl: „Ich halte es für abenteuerlich, dass Menschen in den Nationalpark Kellerwald-Edersee kommen sollen, aber mit dem Auto anreisen müssen.“ Jürgen Frömmrich: „Der Kellerwald ist der einzige Nationalpark ohne Gleisanschluss. Die Zuganbindung ist ein Versprechen. Die Landesregierung muss endlich springen.“ Heinrich Heidel: „Es kann nicht nur bis Herzhausen gehen, wir wollen eine durchgehende Verbindung bis nach Korbach.”

Thema A4

Kontroverse Sichtweisen gab es zu dem erneut diskutierten Lückenschluss der A4 durch eine Bundesfernstraße, die durch den südlichen Landkreis führt. Wilhelm Dietzel: „Wir brauchen die A4, um das obere Edertal wirtschaftlich weiterzuentwickeln.“ Reinhard Kahl: „Es wäre die teuerste Autobahn, die jemals in Erwägung gezogen wurde. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Straße machbar ist.“ Jürgen Frömmrich: „Die Autobahn würde das größte Waldgebiet Hessens zerschneiden. Sie ist vollkommen unsinnig, von uns gibt es ein klares Nein. Wir müssen eher Ortsumgehungen bauen.“

Heinrich Heidel (FDP): „Wir halten die Strecke für notwendig, wollen aber die Nordtrasse, alles andere macht für unsere Region keinen Sinn. Der Korridor für die Straße sollte in den Regionalplan aufgenommen werden.“

 



HNA, 11.01.2007


 

Berichte: WLZ und HNA